#Von Trollen und Menschen

Von Trollen und Menschen:
Customer Relationship im Zeitalter sozialer Medien

Melanie Garmanzky, Geschäftsführerin Garmanzky WEBconsulting GmbH

„Guten Tag, werter Kunde, Ihre Anfrage ist uns zu blöd und Sie sind doch bestimmt tätowiert – deshalb haben wir sie gelöscht. Wir hoffen, Ihnen geholfen zu haben.“ So und ähnlich kommentierte vor kurzem das Facebook-Profil „Kundendienst“ Nutzeranfragen auf den Pinnwänden großer wie kleiner Markenartikler, Händler und Serviceanbieter. Manche Nutzer fallen darauf herein und nehmen den Kundendienst für bare Münze, reagieren verstört, die Diskussion wird zusätzlich angeheizt und eskaliert mitunter.

Dabei steht die Satire-Seite, die auch großes mediales Interesse hervorgerufen hat, stellvertretend für zweierlei: Das Phänomen, dass viele Konsumenten die banalsten „Beschwerden“ über Social Media an Unternehmen herantragen. Und dass viele Unternehmen zu spät oder überhaupt nicht reagieren, wenn sich auf ihren Seiten die Kommunikation verselbständigt. Der Kundendienst hält Firmen den Spiegel vor und User fühlen sich immer öfter nicht ernst genommen. Zudem zeigt sich auch in Studien, dass in jüngster Zeit die Beurteilung der Servicequalität und Servicefälle einen der größten Anteile an Gesprächen in Social Media haben; gleichzeitig steigt die negative Tonalität bei Unzufriedenen an. Soziale Medien sind das Sammelbecken für an anderen Touchpoints Enttäuschte – dies kann, entsprechend gemonitort und ausgewertet, gleichzeitig wertvolle Erkenntnisse zur Verbesserung des Unternehmens und der Reputation insgesamt liefern. Social CRM kann Potenziale heben, wenn Daten und Erfahrungen genutzt werden: Wer sind meine Fans wirklich? Was bewegt die Community? Wo sind grundsätzliche Verbesserungen nötig? Wo können Krisen entstehen? Neben der neuen negativen Kundenmacht gibt es also auch eine bedeutende positive Macht.

Shitstorms entstehen oft von außen, beispielsweise durch unbedachte Äußerungen von Managern oder durch Berichte klassischer Medien über vermeintliche Missstände.

Doch auch auf der eigenen Pinnwand in sozialen Netzwerken kann sich zumindest ein Buschbrand entzünden, wenn nicht gar eine große Protestwelle losgetreten wird. Bauscht sich eine Diskussion derart auf oder hat eine große Zahl von Nutzern das Gefühl, nicht ernst genommen zu werden, setzt schnell der Netzwerkeffekt ein und durch Teilen, Liken und Empfehlen werden immer mehr bisher Unbeteiligte aufmerksam.

Deshalb einige Tipps für gutes Social Customer Relationship Management:

Klare Zuständigkeiten und Abläufe

Entwickeln Sie, gern auch mit externer Unterstützung, Leitfäden und Ablaufpläne für den „sozialen Kundensupport“. Schaffen Sie das nötige Bewusstsein für eine neue Dimension der Servicekommunikation, bei der mehrere Abteilungen wie Support, Unternehmenskommunikation, Marketing, Vertrieb nicht weiter im Silo, sondern gemeinsam an einem Ziel arbeiten müssen. Hilfreich kann eine Kategorisierung von möglichen Anfragen und Kritikpunkten sein. Definieren Sie Workflows, Abstimmungsprozesse und Vier-Augen-Prinzipien. Wer in welcher Abteilung hilft wann weiter? Schulen Sie Mitarbeiter nicht nur in klassischer Kundenzufriedenheit sondern auch im Umgang mit den „neuen“ Medien. Nutzen Sie professionelle Interaktionstools. Und: Eine klare Trennung zwischen Öffentlichkeitsarbeit und Kundenservice kann es heutzutage nicht mehr geben!

Ausbalancierte Schnelligkeit, Qualität und Tonalität

Nutzer erwarten gerade auf digitalen Kanälen eine möglichst kurze Response Time. Doch: Es geht um zufriedene Kunden und nicht um möglichst rasche Standardantworten. Tonalität und vor allem eine hilfreiche Qualität sind noch wichtiger. Bei sich häufig wiederholenden Standardanfragen dagegen können Baukästen eingesetzt werden, wie sie Facebook seit kurzem auch anbietet. Schaden entsteht meist nur, wenn auf kritische Postings gar nicht oder schlecht reagiert wird. Nicht durch den Beitrag an sich. Im Extremfall sollte nicht nur schnell, sondern auch transparent und authentisch reagiert werden. Nehmen Sie den User und sein Problem ernst, bieten Sie Lösungen oder Alternativen an und besprechen Sie datensensitive oder eskalierende Themen möglichst auf einer privateren
Plattform (E-Mail-Support o.ä.).

Schlagfertigkeit und Ironie sind wichtige Eigenschaften, die aber sehr umsichtig eingesetzt werden sollten – etwa gegen Trolle und andere Dauerpöbler (der Facebook-Kanal der Zeitung „Die Welt“ etwa ist durch lustige Antworten auf notorische „Lügenpresse“-Feinde und Weltverschwörungstheoretiker bekannt geworden). Aber nicht übertreiben: Die Community wird sich positiver an souveräne Antworten und damit verbundener schneller Einstellung der Diskussion mit Trollen erinnern als eine ausgedehnte Schlammschlacht.

Proaktives Community-Management

Wer in sozialen Medien als Unternehmen aktiv ist, für den reicht es heute nicht mehr aus, einfach nur auf Fragen zu reagieren – vielmehr sollte man über den reinen Kundendienst hinausgehen und Kunden dauerhaft durch Nachfragen, Ansprache der Fans ohne konkreten (Problem-)Hintergrund und frühzeitigem Zuvorkommen von möglichen Kritikwellen binden.

Melanie Garmanzky ist Gründerin und Geschäftsführerin der Garmanzky WEBconsulting GmbH, ein  Tochterunternehmen der Engel & Zimmermann AG. Sie berät mit ihrem Team Unternehmen und Marken wie Coppenrath & Wiese, die Oettinger Brauerei oder BHS tabletop in allen Fragen der Social-Media-Aktivitäten, Online-Vermarktung, Search Engine Optimization (SEO) sowie bei der Planung und Durchführung der gesamten Online-Kommunikation.

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