#Lästern über den Chef

Lästern über den Chef: Im War of Talents sollten Unternehmen reagieren

Melanie Garmanzky, Geschäftsführerin Garmanzky WEBconsulting GmbH

Außen hui, innen Pfui – betrachtet man die Einträge auf einschlägigen Arbeitgeberbewertungsportalen wie dem zu Xing gehörenden Kununu, könnte man den Eindruck gewinnen, dass die Stimmung in vielen deutschen Unternehmen auf dem Tiefpunkt angelangt ist. Da ist bei einer beispielhaften Firma die Rede von „zickigen Kollegen, arroganten Chefs und mieser Bezahlung“, es herrsche eine „frustrierende Atmosphäre“ und wäre „Mobbing an der Tagesordnung“. Da hilft es auch nichts, dass einige wenige Einträge zur selben Firma ein ganz anderes Bild abgeben. Stellensuchende, die auf derartige Profile von Unternehmen stoßen, werden sich eine Bewerbung zwei Mal durch den Kopf gehen lassen. Und dank der steigenden Nutzerzahlen der Plattformen, geschickter Suchmaschinenoptimierung und Verknüpfung mit Sozialen Netzwerken ist die Chance recht hoch, dass die Portale bei der Web-Suche nach Jobs ganz oben auftauchen. Vor dem „Web 2.0“ war die Welt der Personaler noch in Ordnung – jetzt sieht es ganz anders aus.

Der Wut-Netzbürger macht seinem Unmut Luft

Die Gründe, für Jobs, Ausbildungen und Bewerbungsgespräche wie auch für Restaurants, Ärzte, Hotels und Produkte mal eben eine schlechte Bewertung abzugeben, sind vielfältig und oft spontan. Einer Art „Troll-Syndrom“ folgend, wird eben genau dann bewertet, wenn ein Unternehmen verlassen wird – meist ist da die Stimmung gerade ganz unten. Rache, Enttäuschung und andere Gefühle werden aufgebauscht. Weitaus seltener fühlt sich der Mensch bemüßigt, im Internet auch einmal ein gutes Zeugnis für erlebtes und Erprobtes auszustellen. Doch genau hier müssen Unternehmen ansetzen – denn der Griff zum Anwalt hilft nur in wirklich verleumderischen Fällen. Schnell kann eine Spirale entstehen, in der immer mehr Kritiker ihrem vermeintlichen Ärger Luft machen – da ist der Shitstorm vorprogrammiert. Es empfiehlt sich also eine andere Strategie als die „Keule“ oder gar den Kopf in den Sand zu stecken – denn geredet wird über Ihr Unternehmen im Netz früher oder später ohnehin, egal ob Sie im B2C oder B2B tätig sind.

Wie kann man gegensteuern?

Mittlerweile drehen deshalb immer mehr Unternehmen bei Kununu, MeinChef, Jobvoting und Co. den Spieß um. Sie monitoren nicht nur konsequent die einschlägigen Seiten, sondern nutzen die Portale strategisch als aktives Recruiting-Instrument. Sie präsentieren sich dort mit umfangreichen Profilen, nennen Ansprechpartner, berichten von Vorteilen und – weitaus am effektivsten – reagieren auf negative Einträge mit Stellungnahmen und Verbesserungsvorschlägen. Wie eine solche Authentizität aussehen und für das eigene Personalmarketing genutzt werden kann, zeigt das Beispiel der Barmenia (www.barmenia.de/de/barmenia/karriere/arbeitgeberbewertung/uebersicht.xhtml) Erzeugt wird ein Bild eines Arbeitgebers, der sich offen und glaubwürdig mit Kritik auseinandersetzt – positiver Nebeneffekt kann auch eine interne Verbesserung bei der Unternehmenskultur sein. Geht man der Kritik nach und versucht herauszufinden, wie viel Wahrheit darin steckt, sind vielleicht auch Verbesserungen möglich. Zufriedene Mitarbeiter sind schließlich auch für das interne Arbeitsklima äußerst wichtig.

Immerhin 29 Prozent der Internetnutzer haben sich schon einmal auf Arbeitsgeberbewertungsseiten über Unternehmen informiert – Tendenz steigend (Bitkom 2014). Dass diese Zahlen noch nicht vergleichbar sind mit etwa Hotelbewertungen oder Klinikbewertungen mag sich unter anderem dadurch erklären, dass in erster Linie höher Qualifizierte die Job-Portale nutzen. Umso gravierender, wenn Unternehmen diese Chance auf den Kontakt mit raren Fachkräften verstreichen lassen. Ratsam ist es sogar, im Nachklapp zu Bewerbungsgesprächen, bei der einvernehmlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses und auch während eines bestehenden Jobs immer wieder auf die Möglichkeit einer Bewertung hinzuweisen – so füllt sich das Konto der positiven Bewertungen und ein authentisches Bild des Unternehmens kann besser entstehen. Positive Äußerungen können sich auch potenzieren! Nur eines sollten Sie nicht: Bewertungen fälschen – das kann schnell nach hinten losgehen, mit ungeahnten Folgen.

Heute gilt mehr denn je: Vor allem Unternehmen, die ihre Kunden und Mitarbeiter für sich einspannen, sind erfolgreich. Der demografische Wandel und der Fachkräftemangel machen es unerlässlich, sich um das Employer Branding zu kümmern oder es überhaupt erst einmal aufzubauen. Arbeitgeberbewertungsportale gehören hier definitiv nicht vernachlässigt, denn die Jobsuche hat sich längst ins Internet verlagert.

Melanie Garmanzky ist Gründerin und Geschäftsführerin der Garmanzky WEBconsulting GmbH, ein Tochterunternehmen der Engel & Zimmermann AG. Sie berät mit ihrem Team Unternehmen und Marken wie Coppenrath & Wiese, die Oettinger Brauerei oder BHS tabletop in allen Fragen der Social-Media-Aktivitäten, Online-Vermarktung, Search Engine Optimization (SEO) sowie bei der Planung und Durchführung der gesamten Online-Kommunikation.

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