Fairen Wettbewerb im Onlinehandel schaffen
Die Initiative FairCommerce wurde 2017 in Deutschland vom Händlerbund ins Leben gerufen und zielt primär darauf ab, die hohe Anzahl von Abmahnungen, die im Onlinehandel ausgesprochen werden, zu senken und einen Missbrauch zu bekämpfen. Abmahnungen werden genutzt, um wettbewerbswidriges Verhalten im digitalen Handel zu ahnden. Die Frage, ob eine Abmahnung berechtigt oder unberechtigt ist, stellt sich am Abmahngrund fest. Die folgenden Faktoren spiegeln die Abmahngründe aufgrund von Fehlern oder Weglassens von Angaben im Onlineshop:
- Rechtswidrig formulierte Widerrufsbelehrungen: Entspricht die Widerrufsbelehrung nicht dem geltenden Recht, ist dies ein extrem sicherer Abmahngrund, da in diesem Bereich lediglich geringe Abweichungen von rechtlich festgelegten Standards gebilligt werden.
- Unzulässige Klauseln in den „Allgemeinen Geschäftsbedingungen“: Die Formulierung der AGBs muss innerhalb der Grenzen des Verbraucherschutzes erfolgen. Die einzuhaltenden Mindeststandards der AGBs eines Onlineshops werden in den §§ 305 ff Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) festgelegt.
- Verletzung der Impressumspflichten: Das Impressum muss immer vollständig, korrekt und aktuell sein. Aus ihm müssen der Sitz und die Verantwortlichen des Onlineshops hervorgehen, da die dort aufgeführten Kontaktdaten im Streitfall als Bezug genommen werden.
- Informationen über den Bestellablauf: Der Kunde muss während des gesamten Vorgangs der Bestellung Zugriff auf alle relevanten Informationen erhalten. Diese geben Aufschluss über den Wert und die Merkmale – die sogenannten „Unique Selling Points“ (USPs) – der Ware.
- Fehlerhafte Beschriftung der Bestellknöpfe oder falsch ausgewiesene Preise: Grundlage für die korrekte Ausweisung der Preise ist die Preisangabenverordnung (PAngV), in der festgelegt wird, dass Endpreise einschließlich der Mehrwertsteuer auszuweisen sind. Auch Versandkosten müssen genannt werden.
- Verletzung der Informationspflichten bezüglich des vermarkteten Produktportfolios: Vor allem Onlineshops, die Lebensmittel, Elektrogeräte und Textilien digital vertreiben, sind verpflichtet, detaillierte Informationspflichten zu erfüllen.
Die Umsetzung der durch die Initiative FairCommerce etablierten Handlungsgrundsätze ist für Unternehmen jedoch nicht rechtlich bindend . Stattdessen handelt es sich um eine freiwillige Verpflichtung der Unternehmen, die sich der Initiative angeschlossen haben. Eine unberechtigte Abmahnung – bei der es später zu einem Gerichtsverfahren kommt – kann für abgemahnte Unternehmen teuer werden. Daher brauchen gerade finanzschwache Kleinunternehmen einen besonderen Schutz. Zudem kann sich eine Abmahnspirale aufbauen.
Für mehr Fairness im eCommerce
Die Initiative setzt sich für mehr Fairness sowohl zwischen den Betreibern eines Onlineshops und den Kunden als auch zwischen Betreibern eines Onlineshops und der direkten digitalen Konkurrenz ein. Die Initiative wird mittlerweile von über 40.000 Unternehmen unterstützt, die sich an klare Spielregeln im Onlinehandel halten und dazu beitragen wollen, dass der eCommerce komplett fair abläuft. Abmahnungen sollten ursprünglich Mittel und Wege bieten, um effizient gegen Rechtsverstöße im Onlinehandel vorzugehen. Da sich jedoch gezeigt hat, dass Abmahnungen mehr und mehr als Druckmittel von Wettbewerbern eingesetzt werden, um Händler einzuschüchtern oder teils hohe Zahlungen von ihnen zu „erpressen“. Studien konnten belegen, dass im Jahr 2016 jeder vierte Onlinehändler mindestens einmal abgemahnt wurde. Die Händler müssen sich daher vermehrt mit Rechtsfragen auseinandersetzen – Zeit, die ihnen später beim Ausüben ihrer Kernkompetenz, dem Verkaufen, fehlt.
Da die Aussprache von Abmahnungen im eCommerce teils skurrile Formen angenommen hat, wurde die Initiative FairCommerce vom Händlerbund ins Leben gerufen. Klares Ziel dieser Initiative ist es, faire Verhaltensregeln im Umgang mit Abmahnungen zu entwickeln und dafür zu sorgen, dass sich die digitalen Unternehmen daran halten. Die Unterstützer haben es sich auf die Fahnen geschrieben, bei (vermeintlichen) Abmahngründen zunächst das direkte Gespräch mit dem betroffenen Mitbewerber zu suchen, bevor die Abmahnung tatsächlich zugestellt wird. Auf diesem Weg kommen die Onlinehändler direkt in Kontakt und können ihre Probleme besprechen und klären, bevor weitere rechtliche Schritte eingeleitet werden.
Neben der Initiierung des fairen Handels kümmert sich die Initiative auch um die Bekämpfung von ungerechtfertigten negativen Kundenbewertungen. Kundenbewertungen gelten gerade im digitalen Bereich als zentrale Währung. Wenn einem Onlineunternehmen viele negative Kundenbewertungen widerrechtlich untergeschoben werden, leidet das Image des entsprechenden Unternehmens massiv und eine Kettenreaktion tritt in Kraft. Lesen potenzielle Neukunden ungerechtfertigte Bewertungen, die nicht der Wahrheit entsprechen, sinkt das Vertrauen in die Leistung des Onlinehändlers, was früher oder später einen sinkenden Umsatz zur Folge hat. Ein weiteres Betätigungsfeld der Initiative liegt in der Ermittlung von scheinprivaten Selbstständigen. Dies ist ein großes Thema im eCommerce, denn eine Umfrage konnte herausfinden, dass 83% aller digitalen Händler schon einmal auf einen Mitbewerber ohne offiziellen Gewerbeschein gestoßen sind.
Das „Gesetz für den fairen Wettbewerb“
Die deutsche Regierung hat mittlerweile erkannt, dass die zu häufig initiierte Aussprache von Abmahnungen – also der Missstand, der mit der Initiative FairCommerce des Händlerbunds bekämpft werden sollte – zu massiven wirtschaftlichen Problemen führt. Als Reaktion trat das Gesetz gegen den Abmahnmissbrauch – offiziell das „Gesetz für den fairen Wettbewerb“ – am 2. Dezember 2020 in Kraft. Hauptziel dieses Gesetzes ist es, kleine und mittlere Unternehmen (KMUs) gegen unberechtigte Abmahnungen, durch die sie in schwere finanzielle Nöte kommen können, zu schützen. Es hat die in der Initiative FairCommerce formulierten wirtschaftlichen Grundsätze aufgegriffen und die Anforderungen an einen fairen Wettbewerb gesetzlich verschärft.
Dieses Gesetz sieht ein modernes Regelpaket für die Aussprache von rechtssicheren Abmahnungen gegenüber Betreibern von Onlineshops vor. Insgesamt werden im Gesetz die formellen Regeln, an die die Abmahnungen gebunden sind, deutlich verschärft. Gleichzeitig werden die finanziellen Belastungen, die mit einer Abmahnung einhergehen, deutlich eingeschränkt. Unternehmen, die eine unberechtigte Abmahnung erhalten, können Gegenansprüche geltend machen. Die Vertragsstrafen, die mit einer Abmahnung einhergehen, lassen sich sowohl in Bezug auf die Höhe als auch den Umfang begrenzen. Der fliegende Gerichtsstand wird aufgehoben. Für Wirtschaftsverbände gelten Sonderregelungen. Sie müssen sich in die „Liste von qualifizierten Wirtschaftsverbänden“ eintragen lassen, um eine offizielle Abmahnbefugnis zu erhalten, die ihrerseits an spezielle Konditionen geknüpft ist, die der Verband vollständig erfüllen muss.
Die Verschärfungen, die im Gesetz gegen den Abmahnmissbrauch fixiert wurden, beziehen sich vor allem auf die Voraussetzungen für die Aussprache einer Abmahnung. Der § 13 Absatz 2 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) legt fest, dass ausgesprochene Abmahnungen allgemein verständlich sein müssen. Aus ihr müssen die folgenden Angaben hervorgehen:
- Die vollständigen Kontaktdaten des Unternehmens bzw. der Person, die die Abmahnung ausspricht
- Die genaue Festlegung der Voraussetzungen für die Anspruchsberechtigung
- Der Zweck der Abmahnung einschließlich der Angabe der Aufwendungsersatzansprüche mit Angabe der Höhe
- Eine Berechnung des Anspruchs auf Aufwendungsersatzes
Unternehmen oder Personen, die eine Abmahnung aussprechen, sollten diese Voraussetzungen korrekt umsetzen, damit eine ausgesprochene Abmahnung nicht als Abmahnmissbrauch gewertet wird. Die im § 8c UWG festgehaltenen Hinweise zum Abmahnmissbrauch sollten definitiv nicht erfüllt sein, um Probleme zu vermeiden.
Sonderfall – Abmahnung aufgrund DSGVO
Im Jahr 2018 trat die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) in Kraft, eine EU-Verordnung, deren Ziel es ist, den Datenschutz europaweit zu vereinheitlichen und ein einheitliches Datenschutzniveau für alle EU-Bürger zu gewährleisten. Gerade Unternehmen, die digital präsent sind, müssen sich an die strengen Regeln der DSGVO halten. Sie befasst sich mit der Formulierung der Datenschutzerklärung der Webseite, dem Nutzer-Tracking, dem Einsatz der sozialen Medien sowie dem E-Mail-Marketing.
Verstöße gegen die DSGVO gibt es in verschiedenen Formen. Als ein wesentlicher Abmahngrund wird die fehlende Einwilligung in die Verarbeitung der personenbezogenen Daten durch die betroffene Person gewertet. Eine fehlerhafte Datenschutzerklärung gilt als ein Verstoß gegen die DSGVO und damit als veritabler Abmahngrund. Selbst unzureichende Maßnahmen zur Gewährleistung der Datensicherheit können abgemahnt werden.
Kleinstunternehmen genießen einen besonderen Abmahnschutz – das gilt auch für die Durchsetzung der DSGVO. Sie brauchen bei einer Abmahnung keine Gebühren zu zahlen, damit eine Abmahnung durch Wettbewerber unattraktiv wird. Diesen besonderen Schutz genießen ausschließlich eingetragene Vereine sowie Unternehmen mit einem Jahresumsatz von höchstens zwei Millionen Euro und maximal zehn Beschäftigten.
Die eigene Webseite abmahnsicher gestalten
In diesem Artikel wurden die verschiedenen Punkte aufgezeigt, die zu einer Abmahnung – und damit zu einer finanziellen Belastung der Betroffenen – führen können. Selbst wenn das Gesetz für den fairen Wettbewerb den Abmahnmissbrauch maßgeblich reduzieren konnte, ist es wichtig, den eigenen Webauftritt abmahnsicher zu gestalten.
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