Den agilen Baum zum besseren Verständnis einsetzen
Agile Ansätze im Projektmanagement sind mit einer Vielzahl von Fachausdrücken durchzogen, deren Bedeutung allen Projektbeteiligten bekannt sein muss. Ansonsten kommt es schnell zu gravierenden Missverständnissen, die sich negativ auf die erfolgreiche Projektumsetzung auswirken. Aus diesem Grund sollten alle Stakeholder eines agilen Projektes wissen, welche Aspekte durch die Agilität abgedeckt werden und sämtliche Fachbegriffe, die in dem Rahmen verwendet werden, abklären. Schließlich verfügen sämtliche agilen Frameworks über individuelle Praktiken, Prinzipien und Werte, die sich mit einem eigenen Fachvokabular beschreiben lassen.
Um bei der Bearbeitung agiler Projekte eine klare Kommunikation zu gewährleisten, sollten sämtliche Stakeholder frühzeitig einen umfassenden Überblick über das verwendete Fachvokabular und die bestehenden Zusammenhänge erhalten. Am Ende müssen sich alle Projektbeteiligten auf dem gleichen Wissensstand befinden. Der befüllte, agile Baum bildet darüber hinaus die Grundlage für eine weitere Nutzung. Der Einsatz des agilen Baumes hilft, ein einheitliches Bild über agile Arbeitsmethoden zu schaffen. Dieser Ansatz unterstützt bei der Entscheidung, welche Aspekte der Agilität besonders relevant sind. Gleiches gilt für die Werte und Prinzipien im Projektalltag.
Das agile Mindset als Kern der Agilität
Der Nährboden des agilen Baumes im unternehmerischen Projektmanagement ist das agile Mindset, das alle Stakeholder besitzen sollten. Hierbei handelt es sich um Überzeugungen, die für eine erfolgreiche Zusammenarbeit nach agilen Prinzipien erforderlich sind. Ein solches agiles Mindset beinhaltet grundlegende Perspektiven und Ansichten, einschließlich des Verständnisses für agile Werte und Verhaltensweisen. Ziel ist es, eine offene und gleichzeitig kollaborative Denkweise anzunehmen, was sowohl die Leistungsfähigkeit als auch die Einstellung der Teams und Unternehmen verbessert. Die Implementierung eines agilen Mindsets nimmt einen längeren Zeitraum in Anspruch und muss von allen Mitarbeitern aktiv im Unternehmen gelebt werden.
Ein agiles Mindset beschreibt sowohl die innere Einstellung als auch das Bewusstsein eines jeden Projektmitarbeiters, dass er mit seinen Fähigkeiten sein persönliches Arbeitsumfeld individuell gestalten kann. Es setzt sich aus zwei Ebenen zusammen, die durch diese zwei Fähigkeiten gekennzeichnet sind:
- Reflexionsfähigkeit: Projektmitarbeiter mit einem agilen Mindset sind in der Lage, komplexe Situationen selbstständig zu reflektieren und zu analysieren. Sie verfügen über ein Gespür dafür, welche Prozesse, Handlungen von Kollegen und Managern und welche Praktiken als agil einzuordnen sind und welche nicht.
- Handlungsfähigkeit: Personen mit einem agilen Mindset sprechen aufkommende Widersprüche konstruktiv an, entwickeln geeignete Lösungen und setzen diese in die Tat um. Selbst bei anfänglichen Rückschlägen lassen sie sich nicht entmutigen. Sie bleiben dran und tun ihr Bestes, notwendige Änderungen auf andere Art herbeizuführen.
Diese Zweiteilung ist darin begründet, dass einzelne Teammitglieder zwar in vielen Fällen ein fundiertes Wissen über agile Prinzipien, Werte und Praktiken mitbringen und auch eine agile Grundhaltung besitzen. Trotzdem sind sie oftmals nicht bereit, die Initiative zu übernehmen und eine Veränderung aktiv herbeizuführen.
Ein agiles Mindset unterstützt Veränderungsbereitschaft und fördert aktiv Innovationen im Unternehmen. Unternehmen können flexibler auf Marktveränderungen reagieren, gleichzeitig wird eine Kultur der kontinuierlichen Verbesserung etabliert. Vielen Unternehmen ist es heutzutage ein Anliegen, ihre Arbeitsweise flexibler zu gestalten. Dies bedeutet einen zunehmenden Anteil der Projekte mithilfe von agilen Methoden zu gestalten. Dabei reicht die Anwendung solcher agilen Methoden jedoch nicht aus, denn es ist außerdem wichtig, eine Unternehmenskultur zu kreieren, die sowohl die Flexibilität als auch die Anpassungsfähigkeit fördert. Es werden in diesem Zusammenhang zwei Haltungen unterschieden – „Doing Agile“ und „Being Agile“.
„Doing Agile“ und „Being Agile“ – eine Gegenüberstellung
„Doing Agile“ umschreibt eine Methodik im Projektmanagement, die agile Prozesse zur Bearbeitung von Projekten implementiert. Teams nutzen hierbei eine iterative Herangehensweise an die Projekte. Auf diese Weise wird das Projekt in mehrere Schritte unterteilt. Diese Herangehensweise unterstützt die effektive Umsetzung des Projektes und trägt zur Absicherung des Projekterfolgs bei. Für die Umsetzung von „Doing Agile“ im Unternehmen sind Projektteams agil strukturiert. Dies bedeutet, dass innerhalb des Teams keine Hierarchien existieren, aber die Rollen – wie beispielsweise die des Produktbesitzers – klar verteilt sind. Teams, die nach diesem Prinzip arbeiten, sind klein, arbeiten funktionsübergreifend und legen Wert auf Zusammenarbeit. Die anstehende Arbeitslast wird dabei in Themenbereiche, Aufgabeneinheiten, Nutzergeschichten oder Tätigkeiten unterteilt.
„Being Agile“ bezieht sämtliche Arbeits- und Herangehensweisen von „Doing Agile“ mit ein, geht aber noch einen Schritt darüber hinaus. Unternehmen, die die „Being Agile“-Mentalität – eine Denkweise, die auf Anpassungsfähigkeit, Teamfähigkeit und lebenslanges Lernen setzt – zur Projektbearbeitung anwenden, um den Wandel effektiv zu gestalten, nutzen diesen Ansatz ganzheitlich. Durch ihn können sich Teams im Handumdrehen an Veränderungen anpassen, wobei die einzelnen Teammitglieder immer bereit sind, etwas Neues hinzuzulernen. Um vollständig agil zu operieren, muss das Unternehmen einen agilen Wandel durchlaufen. Alle Mitarbeiter müssen dabei die Prinzipien agilen Handelns verinnerlichen. Dies bedeutet jedoch nicht, festen Richtlinien zu folgen, sondern die Werte und Prinzipien agilen Handelns in den Arbeitsalltag zu integrieren.
Der Hauptunterschied zwischen „Doing Agile“ und „Being Agile“ liegt im Vorhandensein einer agilen Mentalität in allen Bereichen. Sie stellt die Grundlage für eine agile Arbeitsweise dar. Für Unternehmen, die bisher ausschließlich traditionelle Methoden im Projektmanagement – beispielsweise das Wasserfallmodell – eingesetzt haben, bedeutet die Umstellung auf agile Modelle einen kompletten Neuanfang. Die klassische hierarchische Herangehensweise, die durch Starrheit und eine fehlende Wandlungsfähigkeit gekennzeichnet ist, muss vollständig abgelegt werden. Stattdessen muss gerade der Möglichkeit flexiblen Handelns ein höherer Stellenwert eingeräumt werden. Ein weiterer Unterschied liegt in der Zeit der Umsetzung. Es kann Jahre dauern, bis ein Unternehmen die Anwendung vollständig agiler Handlungsmethoden umsetzt.
Die vier Kernbestandteile des agilen Baumes
Im agilen Baum werden die vier verschiedenen agilen Werte, Prinzipien, Framework und Praktiken des Projektmanagements verortet. Am Wurzelansatz des Baumes befinden sich die agilen Werte, die die Voraussetzung für die Prinzipien und ausgeübten Praktiken bieten. Hierbei handelt es sich um Vorstellungen, die allgemein als wünschenswert eingeschätzt werden und den Beteiligten Orientierung bieten. Im agilen Zusammenhang beschreiben die Werte eine etablierte, gemeinsame Grundhaltung, die sowohl vom Unternehmen als auch den Mitarbeitern geteilt wird. Hierbei ist der gemeinsame Aushandlungs- und regelmäßige Reflexionsprozess das Entscheidende.
Im Baumstamm sind die agilen Prinzipien angesiedelt, vor allem die Face-to-Face-Kommunikation, die Kundenzentrierung und die Selbstorganisation im Team. Diese sollte sich daran ausrichten, was wichtig für die eigene Zusammenarbeit und Organisation innerhalb der Gruppe ist. Wichtig ist in diesem Zusammenhang die Erkenntnis, dass die Einhaltung von agilen Prinzipien eine wertvolle Grundvoraussetzung dafür ist, damit agile Praktiken, die verwendet werden, ihre volle Wirksamkeit entfalten können. Wenn ein Team beispielsweise mit der agilen Scrum-Methodik arbeitet, aber das Prinzip der Fokussierung auf den Kunden missachtet, wird das Arbeitsergebnis unbefriedigend sein.
Im mittleren Geäst des agilen Baumes befinden sich die Frameworks. In diesen Frameworks werden unterschiedliche Praktiken in einem genauer beschriebenen Vorgehensmodell zusammengefasst. Das Scrum-Framework beispielsweise besteht aus einem Ineinandergreifen von Rollen, Artefakten und Zusammenkünften. Das Agieren mit sogenannten Aufgabentafeln hat beispielsweise seinen Ursprung im Lean Management, während Nutzergeschichten eher im Extreme Programming zu verorten sind. Aufgrund ihrer exzellenten Funktionsfähigkeit sind diese Praktiken im Verlauf der Entwicklung Bestandteil des Scrum-Frameworks geworden.
In der Baumkrone befinden sich die agilen Praktiken. Einige agile Praktiken – wie die Arbeit mit sogenannten Taskboards oder tägliche Kurzmeetings – ist praktizierter Standard im agilen Projektmanagement, wobei es nebensächlich ist, ob tatsächlich agil gearbeitet wird. Die Praktiken, die verfolgt werden, entstammen zumeist den agilen Frameworks, in denen ihr Ablauf genauer definiert wird. Zumeist werden verschiedene Ansätze miteinander kombiniert mit dem Ziel, die Agilität greifbarer und besser ausführbar zu gestalten. Sie stellen eine Sammlung von sinnvollen Vorgehensweisen dar, die Teams bei der iterativen Entwicklung von Produkten unterstützen.
Fachtermini vorab in einem Workshop klären
Der agile Baum ist ein wertvolle Hilfestellung zur Veranschaulichung der Idee der Agilität, agiler Werte und Prinzipien sowie der daraus hervorgehenden Zusammenhänge. Die Ausgestaltung des agilen Baumes unter Mitarbeit aller am Projekt Beteiligten schafft eine wertvolle Basis, die allen Beteiligten ein Verständnis des gebrauchten Fachvokabulars vermitteln und die vorhandenen Zusammenhänge in Form eines Baumes darzustellen. Besonders Teams, die über einen sehr heterogenen Wissensstand bezüglich der Agilität in Projekten, sollten im Vorfeld einen solchen Workshop organisieren, um eine gemeinsame Wissensbasis zu finden. Gleichzeitig tragen solche Workshops dazu bei, ein allgemeines Verständnis zum Thema Agilität in Projekten zu etablieren.
Der optimale Zeitpunkt für die Organisation eines solchen Workshops ist die Vorbereitungs- bzw. Planungsphase eines Projektes. Zu diesem Zeitpunkt können sich Team und Projektleiter noch über die Nutzung des passenden agilen Frameworks und der zu verwendenden Praktiken abstimmen. Doch auch in der Frühphase des Projektes lohnt es sich durchaus noch, den agilen Baum in einem gemeinsamen Workshop zu erarbeiten. Der Scrum Master, der agile Coach oder der Projektmanager vermittelt damit ein gemeinsames Verständnis darüber, was sich hinter der Agilität verbirgt, welche Kernideen – also welche Werte, Prinzipien und welches Mindset – dahinter stecken und welche Methoden und Praktiken bei der Umsetzung des Projektes zum Einsatz kommen sollen.
Optimale Organisation eines solchen Workshops
Wer einen solchen Workshop organisieren möchte, um innerhalb des Teams die Fachbegriffe des agilen Arbeitens abzuklären, braucht dazu lediglich ein großes Whiteboard und mehrere Stifte in verschiedenen Farben. Darüber hinaus sollte für den Workshop etwa eine Stunde eingeplant werden. Zur Vorbereitung sollte der agile Baum mit all seinen Kernbestandteilen auf das Whiteboard aufgetragen werden. Für eine bessere Übersicht sollte jeder Kernbestandteil eine andere Farbe erhalten. Am äußeren Rand sollte eine horizontale Achse geben, die den Wandel der Handlungsmentalität von „Doing Agile“ hin zu „Being Agile“ widerspiegelt. Insgesamt ist es zudem wichtig, ausreichend Platz für Notizen und Anmerkungen einzuplanen.
Zu Beginn ist es wichtig, die Teilnehmenden zur aktiven Mitarbeit zu bewegen. Dies kann beispielsweise durch das Stellen von offenen Fragen in die Runde oder die Aufforderung, die eigenen Erfahrungen kundzutun, geschehen. Die genannten Schlagworte werden aufgegriffen und den einzelnen Kernbestandteilen zugeordnet. Die Bedeutung und die Zusammenhänge der wichtigsten der gesammelten Begriffe sollten nun ausführlicher erörtert werden. Dabei sollten der Kenntnisstand und die individuellen Belange der einzelnen Teilnehmenden im Mittelpunkt stehen. Die Struktur des agilen Baumes und die Zusammenhänge der einzelnen Kernbereiche sollten genau dargelegt werden. Am Ende des Workshops sollten die Bereiche identifiziert werden, mit denen sich die Teilnehmenden im Verlauf intensiver beschäftigen wollen.
Der gemeinsam im Team erarbeitete agile Baum gibt allen Teilnehmenden eine klare Struktur, die gut verständlich ist und sich leicht rekonstruieren lässt. Die einfache, bildliche Darstellung in Form eines Baumes macht es für die Teilnehmenden deutlich einfacher, Zusammenhänge der verschiedenen Bereiche herauszustellen. Gleichzeitig bleibt eine visuelle Darstellung länger in Erinnerung. Das für die Begriffssammlung und Begriffserklärung genutzte Whiteboard kann zudem wiederverwendet werden – beispielsweise, um das gesammelte Wissen in weiteren Meetings zu erweitern bzw. um es wieder aufzufrischen. Die regelmäßigen Meetings dienen der Reflexion der einzelnen Elemente des agilen Baumes. Es werden agile Werte Teamintern besprochen, um die Relevanz zu prüfen oder es wird ermittelt, welche agilen Praktiken aktuell gelebt werden.